Kürzung der Mindestsicherung verschärft Situation

Sozialunternehmen fordert raschen Ausbau von leistbarem Wohnraum. Die Geschäftsführerin der Kaplan Bonetti Sozialwerke Cornelia Matt betrachtet das neue Modell der Mindestsicherung mit großer Sorge.

© Andi Sillaber
© Andi Sillaber

Dornbirn, 20. Jänner 2017 – Das am Dienstag vorgestellte neue Vorarlberger Modell für die Mindestsicherung bedeutet für von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen tiefe Einschnitte. Die Kaplan Bonetti Sozialwerke rechnen damit, dass es für Betroffene noch schwieriger wird, eine Wohnung zu finden. Sie fordern eine Rücknahme der geplanten Kürzung bei den Wohnkosten, bis es gelungen ist, ausreichend leistbaren Wohnraum für Einkommensschwache zu schaffen.

Die Einschnitte bei der Mindestsicherung betrachtet die Geschäftsführerin der Kaplan Bonetti Sozialwerke Cornelia Matt mit großer Sorge. „Die Kürzungen bei der Übernahme der Wohnkosten werden sich massiv auf unsere Bewohner im Kaplan Bonetti Haus und Klienten unserer ambulanten Beratungsstelle auswirken.“ Die Wohnkosten sind gedeckelt. Die Mehrkosten für den tatsächlichen Mietpreis werden von den Lebenskosten abgezogen. „Unterm Strich bleiben Betroffenen deutlich weniger für Lebensmittel, Kleidung, Schulausgaben, Strom, Mobilität. 100 Euro mehr oder weniger im Monat können hier über ein menschenwürdiges Leben entscheiden.“

 

Gemeinnützigen Wohnbau fördern

„Der Druck auf Menschen, die auf dem überteuerten Markt eine Wohnung suchen müssen, wird durch die geplante Kürzung erhöht“, ist Michael Hämmerle, Leiter der Kaplan Bonetti Beratungsstelle, überzeugt und fordert, „den sozialen Wohnbau noch stärker auszubauen.“ Das Projekt ‚Wohnen 500‘, die Änderung der Wohnungsvergaberichtlinien sowie die Erhöhung des Bauprogramms im gemeinnützigen Wohnbau seien Schritte in die richtige Richtung. „Hier erwarten wir uns rasch weitere Maßnahmen“, so Hämmerle.

 

Soziales Netz hängt tiefer

„Die geplanten Höchstsätze entsprechen in keiner Weise den aktuellen Marktpreisen“, betont er und nennt ein Beispiel: Eine Wohnung für eine sechsköpfige Familie dürfte maximal 729 Euro kosten, wofür in Vorarlberg keine adäquate Unterkunft verfügbar sei. Die Folge sei eine massive Überbelegung von Wohnungen, was eine versteckte Wohnungslosigkeit bedeute.

Michael Hämmerle befürchtet die Schaffung neuer Härtefälle. „Menschen, die sich bisher kaum ein lebenswertes Leben leisten konnten, haben jetzt noch weniger zur Verfügung. Tritt die Neuregelung in Kraft, hängt das letzte soziale Auffangnetz deutlich tiefer.“ Der Leiter der Beratungsstelle glaubt daher nicht an eine tatsächliche Einsparung von öffentlichen Geldern. „Die Situation wird sich weiter zuspitzen. Wir rechnen mit einem größeren Zulauf von Wohnungssuchenden in den Beratungsstellen sowie in der stationären Wohnungslosenhilfe.“

 

Chance auf selbstständiges Leben

Grundsätzlich begrüßen die Kaplan Bonetti Sozialwerke die Schaffung von Arbeitsanreizen und Begleitmaßnahmen, um Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Tatsache sei allerdings, dass die Mieten in den letzten Jahren stark gestiegen, die Einkommen im Niedriglohnbereich jedoch inflationsbereinigt gesunken sind. Dieser Entwicklung müsse eine verantwortungsvolle Sozial- und Wirtschaftspolitik gegensteuern. Bei armutsbetroffenen Menschen einzusparen sei nicht die Lösung.