Fünf Fragen an Cornelia Matt

..., seit 2016 Geschäftsführerin der Kaplan Bonetti gemeinnützigen GmbH.

Wie kann eine Einrichtung wie die Kaplan Bonetti gemeinnützige GmbH in Zeiten der knapperen finanziellen Ressourcen im Sozialsystem ihre hohe Qualität halten?

Jede Kürzung von Sozialleistungen – so wie die geplante Kürzung der Mindestsicherung durch die Bundesregierung oder die Kürzung von AMS-Förderungen und -Leistungen - hat weitreichende Folgen, es trifft viele in unserer Bevölkerung, unabhängig von ihrer Herkunft, darunter Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Arbeitslose, Pensionistinnen und Pensionisten, Frauen, die in Scheidung leben, Alleinerziehende, kinderreiche Familien. Kinderarmut in Vorarlberg ist jetzt schon ein reales Problem – eine Spirale, die sich in die nächste Generation zieht. Unsere Arbeit muss sich verstärkt damit auseinandersetzen, dass wir in den nächsten Jahren mit ungleich größeren Notlagen ganz normaler Familien rechnen müssen, die noch weniger finanziellen Spielraum haben werden, weiterhin steigende Mietpreise verschärften zusätzlich die Lage. Die Fallzahlen steigen kontinuierlich, wir werden in Zusammenarbeit mit unseren System- und Vernetzungspartnern sowie Fördergebern verstärkt neue Konzepte und Maßnahmen in Richtung Armutsprävention erarbeiten müssen. Eine nochmalige Kürzung der Mindestsicherung der derzeitigen Bundesregierung hätte katastrophale Folgen.

 

Stellung beziehen Sie auch zum Umgang mit den Notreisenden – welche Möglichkeiten sehen Sie, die Aufgaben einer Wohnungsloseneinrichtung für alle Menschen in Not zu erfüllen?

Wir haben die Anwaltschaft für Menschen in existenziellen Notsituationen. Egal wer Hilfe braucht, bei uns ist jeder willkommen, unabhängig von Kultur, Herkunft, Geschlecht, Religion, Bildung, persönlicher Lebensgeschichte und aktueller Situation. Das ist ein christlicher Grundsatz, auf dessen Fundament die Kaplan Bonetti gemeinnützige GmbH gegründet wurden. Armutsmigrantinnen und -migranten aus Osteuropa haben oftmals keinen Zugang zum Sozialsystem, eine Unterbringung wird nur in Ausnahmefällen und nur im Winter finanziert, beispielsweise für Kinder und Personen mit gesundheitlichen Problemen. Diese Menschen sehen sich zudem einem wachsenden offenen Rassismus ausgesetzt, die Stimmung in der Bevölkerung hat sich weiter verschärft. Wir begleiten sie auf der Straße und versuchen so gut wie möglich eine Situation zu schaffen, in der sie einigermaßen menschenwürdig leben und dadurch ihre Lebensgrundlage sichern können. Es sind uns hier schmerzliche Grenzen gesetzt, es braucht den Ausbau in Richtung dauerhafter Hilfsangebote.

Jeder Mensch verdient immer wieder eine neue Chance.

Cornelia Matt
Geschäftsführerin

Wie lassen sich solche finanziellen Zusatzbelastungen meistern?

Wir arbeiten daran, die Spendenaktivitäten zu verstärken, damit wir mehr finanzielle Mittel für die Einzelfallhilfe zur Verfügung haben. Damit können wir Menschen, denen ein Wohnungsverlust droht, schnell und unkompliziert helfen oder im Notfall neuen Wohnraum beschaffen. Emil Bonetti war ein begnadeter Spendensammler, der wertvolle Strukturen schaffen konnte – ein Grundstein für unsere gesamte Einrichtung. Der christliche Leitgedanke, den Ärmeren der Gesellschaft zu helfen, ist nicht mehr selbstverständlich. Dem möchten wir entgegen wirken. Neben den Spendenaktivitäten wollen wir auch die Kooperationen mit Unternehmen stärken und ausbauen. Seit vielen Jahren arbeiten wir eng mit namhaften Firmen in Vorarlberg zusammen, die sich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind und die Erfahrung machen, dass beide Seiten davon profitieren. Genau dieses Bewusstsein möchten wir in den nächsten Jahren verstärkt in die Öffentlichkeit tragen.

 

Das Ehrenamt soll auch Teil der Zukunft sein?

Ja, auch die menschliche Zuwendung ist wichtig. Professionelle Betreuung können wir nur für einen begrenzten Zeitraum bieten, danach sind die Leute wieder auf sich gestellt. Zwar in stabilen Lebensumständen, aber vorher wie nachher ist niemand da. Die Einsamkeit ist eines der größten Probleme und auch eine Gefahr für das Anhalten des Erfolgs unserer Arbeit. Wir brauchen Ehrenamtliche, die auf Augenhöhe mit unseren Betreuten ganz normale Alltagsdinge unternehmen. Beispielsweise jemand, der immer Fußball gespielt hat und dann regelmäßig jemanden mit zum Spiel nimmt. Wichtig ist, dass die Aktivitäten draußen im Leben stattfinden, nicht bei uns im Haus. In Vorarlberg akzeptieren eine große Anzahl kultureller Einrichtungen den Kulturpass – unsere Betreuten können damit gratis in ein Museum oder ins Theater gehen, was auch immer sie interessiert. Das wäre eine einfache Möglichkeit, ehrenamtlich mit Menschen aus unseren Sozialwerken Zeit zu verbringen und ihnen Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen – dazu braucht man aber eben oft einen netten Menschen an der Seite.

 

Gibt es auch Ideen für die Begleitung Langzeitarbeitsloser?

Was fehlt, ist Raum für die wesentlichen Fragen des Menschseins. Wie möchte ich leben? Was macht mir Freude, was kann ich gut? Was stärkt mich und wie sieht mein eigener Lebensweg aus? Auch wenn sich damit kein Geld verdienen lässt, steigern sie die Lebensqualität und befähigen, wieder aktiv zu werden und sich selbst mehr zuzutrauen. Das sind ganz normale Fragen, auf die jeder Mensch im Lauf seines Lebens stößt, die wir üblicherweise im Freundeskreis besprechen oder auch im Rahmen professioneller Begleitung. Viele Langzeitarbeitslose befinden sich in sozialer Isolation und haben genau diese Möglichkeiten oft nicht mehr. Auch wenn die AMS Maßnahmen nach einem halben Jahr enden, ohne dass ein Einstieg in den 1. Arbeitsmarkt gelingt (und dafür gibt es viele Gründe, man ist entweder zu alt, zu teuer, zu wenig ausgebildet, zu hoch ausgebildet, zu krank,...) muss es ein TROTZDEM geben. Ein engagiertes Projekt in dieser Richtung findet derzeit im Waldviertel statt, „sinnvoll tätig sein“ bietet in Kooperation mit dem AMS ein Grundeinkommen für langzeitarbeitslose Menschen, sofern sie eine Tätigkeit ausüben, die ihnen Sinn stiftet. Solche Entwicklungen muss man aufmerksam beobachten – die Studie wird von der Universität Linz evaluiert. Die ersten Ergebnisse sind mehr als positiv.