Keine Entspannung der Lage für Langzeitarbeitslose
Frastanz (AT). Die Arbeitslosenzahlen in Vorarlberg vom März 2023 stagnieren im Vergleich zum Vorjahr. Die Anzahl an langzeitarbeitslos gemeldeten Personen ist dabei sogar um etwa ein Viertel zurückgegangen. Laut arbeit plus ist das jedoch noch kein Grund zur Freude, denn von Langzeitarbeitslosigkeit sind immer weitaus mehr Personen betroffen, als die offizielle Zahl vermuten lässt. Außerdem rechnet auch das AMS mit einem Wiederanstieg der Zahlen, während die Beschäftigungsprojekte mit den Fördermittelkürzungen kämpfen.
Auch wenn die Arbeitslosenzahlen in Vorarlberg aktuell stagnieren und es im März 2023 mit 1.507 gemeldeten Personen um etwa ein Viertel weniger Langzeitarbeitslose als im Vorjahr gab, sieht der Verband arbeit plus Soziale Unternehmen Vorarlberg keinen Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil: Der Verband warnte bei seiner Pressekonferenz am 27. April 2023 ausdrücklich vor schweren psychosozialen und gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen für viele Betroffene, sollten weitere Beschäftigungsplätze aufgrund fehlender Finanzierung eingestellt werden müssen. arbeit plus und das AMS rechnen mit einem Wiederanstieg der Arbeitslosenzahlen in den nächsten Monaten.
Ein:e Langzeitarbeitslose:r ist selten allein betroffen
Die offizielle Zahl an Langzeitarbeitslosen im Land ist im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres zurückgegangen. Aber die Problematik Langzeitarbeitslosigkeit betrifft immer mehr Personen, als auf den ersten Blick sichtbar ist: „Die offizielle Zahl ist nur begrenzt aussagekräftig, denn Langzeitarbeitslosigkeit beeinträchtigt fast immer auch das Leben von zwei bis drei weiteren Familienmitglieder bzw. Personen im Umfeld. Man darf das Problem also nicht isoliert betrachten. Hinter jeder langzeitarbeitslosen Person steht oft eine Partnerin oder ein Partner, Kinder oder Eltern, die mitbetroffen sind und leiden – weil Langzeitarbeitslosigkeit krank macht. Die psychische Belastung ist für die Betroffenen groß“, schildert Benedicte Hämmerle, Geschäftsführerin von arbeit plus Soziale Unternehmen Vorarlberg, und ergänzt: „Zu Existenzängsten kommen negative Einflüsse auf das Selbstwertgefühl, zum Beispiel durch das fehlende Ansehen in der Gesellschaft bzw. die Stigmatisierung, dass langzeitarbeitslose Menschen faul seien. Das Belastungspaket führt vielfach zu chronischen Erkrankungen wie Depressionen, Angstzustände, Schlaf- und Essstörungen oder Drogenabhängigkeit.“
Turbo auf dem Weg zur Kinderarmut
Laut arbeit plus wirkt sich Arbeitslosigkeit oft auch negativ auf die Zukunftschancen der Kinder von Betroffenen aus und geht mit Kinderarmut einher. Das bestätigt auch Michael Hämmerle, der Stellvertretende Geschäftsführer von Kaplan Bonetti: „Als Sozialarbeiter in der Beratungsstelle in Dornbirn sehe ich die Auswirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit täglich hautnah und dazu gehört leider auch, dass Kinder von arbeitslosen Eltern schnell armutsgefährdet sind.“ Verfestigt sich Arbeitslosigkeit einmal, ist die Gefahr groß, dass sie an die nächste Generation weitergegeben wird. „Es ist unser aller Pflicht, hier entgegenzusteuern und am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen langfristig eine würdige Beschäftigung zu ermöglichen“, unterstreicht Florian Kresser, Obmann von arbeit plus und Geschäftsführer Aqua Mühle Vorarlberg.
30 Prozent sind gesundheitlich eingeschränkt
Zirka 2.500 bzw. 30 Prozent aller vorgemerkten Arbeitslosen haben laut AMS gesundheitliche Probleme und sind daher nur begrenzt vermittelbar. „Wir müssen uns um alle kümmern, nicht nur um die Vermittelbaren – jede und jeder einzelne Langzeitarbeitslose ist eine oder einer zu viel. Man muss auch berücksichtigen, dass es weitere Menschen gibt, die zwar einen Arbeitswunsch haben, aber gar nicht beim AMS gemeldet sind. Sie haben oft gar nicht die Kraft, sich der Bürokratie oder den Anforderungen der Behörden zu stellen. Viele haben zudem den Mut verloren, jemals wieder eine Arbeit zu finden. Auch sie tauchen in keiner Statistik auf“, unterstreicht Benedicte Hämmerle.
Fördermittel wirken
Dass die aktuellen Zahlen über die Langzeitarbeitslosigkeit in Vorarlberg zurückgegangen sind, begründet arbeit plus unter anderem mit dem größeren Fördervolumen während der Corona-Pandemie 2021/22: „Dank der Fördermittel durch das Land und das AMS konnten viele Langzeitarbeitslose bei einem Sozialen Unternehmen beschäftigt werden oder eine Ausbildung machen. Sie scheinen daher nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Die Fördermittel zeigen also ihre Wirkung. Allerdings wird jetzt wieder überall gekürzt, was verheerende Folgen für Langzeitarbeitslose und ihr familiäres Umfeld haben wird“, unterstreicht Florian Kresser. „Wir müssen das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit möglichst früh bekämpfen. Je länger wir abwarten, desto eher verfestigt sich die Situation der Betroffenen, desto umfangreicher werden vermutlich die negativen Folgen auf ihre Mitmenschen sein – und auch umso teurer für die Steuerzahlenden.“
Forderung nach gesicherten Beschäftigungsplätzen
arbeit plus fordert die langfristige Zusage von Fördermitteln, um Betroffenen passende Beschäftigungsplätze bieten zu können. „Anstatt eingeschränkt arbeitsfähige Menschen von einer Institution zur nächsten zu schicken, wäre es sinnvoller, diese ihrem Leistungsvermögen entsprechend zu beschäftigen, wenn nötig auch längerfristig. Die sozialökonomischen Betriebe im Verband arbeit plus und die dort beschäftigten langzeitarbeitslosen Menschen leisten wertvolle Arbeit. Betroffene können, je nach Möglichkeit, wichtige gemeinnützige Aufgaben übernehmen: beispielsweise in Schulkantinen, bei der Altkleidersortierung, beim Recycling, bei der Betreuung von öffentlichen Grünanlagen oder in Pflege- und Sozialeinrichtungen“, fasst Benedicte Hämmerle abschließend zusammen.
Forderungen arbeit plus Soziale Unternehmen Vorarlberg
- Langfristige Zusage von Fördermitteln für den steuerschonenden Erhalt entsprechender Beschäftigungsplätze
- Abbau von Arbeitserschwernissen rund um die Themen Arbeitszeit, Kinderbetreuungs- und Pflegeangebote, altersgerechte, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen, Mobilitätsangebote etc.
- Stufenweise Übergänge in den Arbeitsmarkt ermöglichen
- Neubewertung des Arbeitslosengeldes als Existenzsicherung
- Von Unternehmensseite: Arbeitsplätze mehr an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten (flexible Arbeitszeiten, 30:30 Model, Top-Job-Sharing etc.)
- Höhere Löhne für geringqualifizierte, aber gesellschaftlich notwendige Jobs
arbeit plus Soziale Unternehmen Vorarlberg
Die Mitgliedsbetriebe von arbeit plus Soziale Unternehmen Vorarlberg, Aqua Mühle, Kaplan Bonetti Arbeitsprojekte, Integra, carla – Caritas Vorarlberg und die Dornbirner Jugendwerkstätte, unterstützen seit vielen Jahren langzeitbeschäftigungslose Menschen dabei, wieder in bezahlten Arbeitsverhältnissen Fuß zu fassen. Ihre zentrale Aufgabe ist es, Menschen zu beschäftigen, zu qualifizieren und zu vermitteln, die zumindest vorübergehend am ersten (regulären) Arbeitsmarkt nicht eingesetzt werden können.
Diese Arbeit beugt Armut vor, sie gibt Benachteiligten Sicherheit und Gemeinschaft, fördert die Gesundheit und Integration der Beschäftigten ins gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben und leistet einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens.
Zahlen, Daten, Fakten – arbeit plus Soziale Unternehmen Vorarlberg
- Geschäftsführerin: Benedicte Hämmerle
- Obmann: Florian Kresser
- Mitgliedsbetriebe: Aqua Mühle, Kaplan Bonetti Arbeitsprojekte, Integra, carla – Caritas Vorarlberg, Dornbirner Jugendwerkstätte
- AMS-Förderung 23: geplant 7,1 Mio. (2022: 9,4 Mio.)
- Landesförderung 23: 2,9 Mio.
- Betreuungsangebot: diverse gemeinnützige Tätigkeiten in befristeten Dienstverhältnissen, Arbeitstrainings, Qualifizierungsangebote, Schulungen, persönliche Unterstützung durch SozialarbeiterInnen
Tätigkeitsfelder der Mitgliedsbetriebe
- Catering/Großküche: Verpflegung/Bewirtung für Messen, Großveranstaltungen, Kindergärten, Schulen, Pflegeheime und verschiedene andere Betriebe
- Betreiben von Geschäften wie Poststellen, Secondhand Shops etc.
- Leistungen in der Kreislaufwirtschaft und für den Klimaschutz
- Objektreinigung von Sozialzentren, Autowaschdienst, Raumpflegearbeiten
- Mobiler Landschaftspflegedienst
- Betreiben von Werkstätten, z.B. Schneiderei/Schutzmaskenproduktion
- Fachgerechte Entsorgung von Daten, Datenträger sowie PCs und Laptops lt. der EU-Datenschutzverordnung (DSGVO)
- Industrienahe Fertigung für große und kleinere Wirtschaftsbetriebe
- Wäscheservice für Gastronomiekunden
- Aufräumarbeiten und Reinigung nach Wohnungsauflösungen, Verwüstungen, usw.
- Tischlereiprodukte wie aus Holz gefertigte Verpackungen, maßgetischlerte Trage- oder Regalkisten und einfache Mehrzweckkisten